DMEA_2024_Berlin

Essentials der DMEA 2024 – Connecting digital health

Die Digital Medical Expertise and Applications - Messe (DMEA) 2024, eine führende Messe der digitalen Gesundheitsbranche, wurde vom 9. bis 11. April in Berlin ausgerichtet. Diese Veranstaltung zog etwa 18.600 Teilnehmerinnen und Teilnehmer an und präsentierte rund 800 Aussteller. Mehr als 350 renommierte Rednerinnen und Redner teilten ihr Fachwissen in einer Vielzahl von Vorträgen, Diskussionsrunden und Workshops.

Ganzheitlichen Digitalisierungsstrategie

Dringender denn je steht das deutsche Gesundheitswesen vor den seit Jahren angemahnten Aufgaben einer ganzheitlichen Digitalisierung ihrer Gesundheitseinrichtungen. Weiterhin fehlt eine alle Sektoren übergreifende Digitalisierungsstrategie für Deutschland.

Da mögen die Worte von Prof. Lauterbach (Bundesminister für Gesundheit) bei der Eröffnungsrede „Deutschland soll Vorreiter in der Digitalmedizin werden“ wohlgemeint, jedoch absurd erscheinen. Ist das deutsche Gesundheitswesen doch in vielen Belangen der Digitalisierung Schlusslicht in Europe sowie weit abgeschlagen im weltweiten OECD-Vergleich (2023) bezüglich der Datensatzverfügbarkeitsbewertung, also der Fähigkeit auf die Datensätze im Gesundheitswesen zuzugreifen und diese miteinander verknüpfen zu können.

Strategiegesetz in Aussicht und e-Rezept - Rollout

Nichtsdestotrotz kann der hohe Anspruch nicht schaden, erinnert aber doch sehr an Goethes Worte, „Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube“. Herrn Prof. Lauterbach ist da kein Vorwurf zu machen, sondern vielmehr seinen etlichen Vorgängern, welche die 16 Jahre davor das Thema schlichtweg schleifen lassen bzw. ignoriert haben. Zumindest wird jetzt ein Strategiegesetz in Aussicht gestellt, das Rollout des e-Rezeptes ist für zweite Jahreshälfte 2024 geplant. Es fehle laut Prof. Lauterbach an einer „übergreifenden Strategie“, die festlege: „Wo wollen wir wann sein, und was sind die Anwendungen, die dem Nutzer das Gefühl geben, er bekommt eine neue Medizin“. Der Nutzen der Digitalisierung müsse täglich auf allen Ebenen für Patienten und für Leistungserbringer erlebbar und spürbar werden.

Herstellerunabhängige Interoperabilität der Systeme & Single Source of Truth

Erfrischend und ernüchternd zugleich war da der Vortrag von Prof. Fritsche, der auf das weiterhin größte Problem der fehlenden Interoperabilität der Software-Systeme hinwies. Anstatt z. B. vieler unterschiedlicher Krankenhausinformationssysteme (KIS) sollte ein KIS mit Mandantenfunktion für die verschiedenen Krankenhäuser eines Konzernes als Plattform dienen. Der nächste Schritt in die Cloud ist damit nicht mehr weit entfernt.

Idealerweise gäbe es analog einer Android- oder Apple-Plattform eine Plattform-Technologie für alle Software-Systeme im deutschen bzw. europäischen Gesundheitsraum, auf deren Technologie die unterschiedlichsten Applikationen wie ePA, KI-Systeme, Laborsysteme, PAC-Systems, SAP-Verwaltungen, Spezial-Apps für die ZNA, Apotheke, Intensivstation und weitere Funktionsabteilungen betrieben werden könnten. Voraussetzung ist eine gemeinsame Sprache, ein harmonisierter Datenraum und standardisierte Schnittstellen. Gefordert wird eine Herstellerunabhängige Interoperabilität der Systeme und eine Single Source of Truth – Informationsstrategie (Alles nur einmal!).

„Android-Lösung für das Gesundheitswesen“ als zukünftige Moon-Story

Solch ein System wäre laut des Autors dieses Newsblogs (A. Euteneier) auch gegen Cyberangriffe sicherer, da es gilt, nur noch ein System gegen Angriffe zu sichern, und nicht wie bisher, unterschiedlichste Technologien alle einzeln abzusichern. Es bräuchte eine „Android-Lösung für das Gesundheitswesen“. Das wäre eine Moon-Story, die neben der Interoperabilität der Systeme und immensen Kostenersparnis auch ein mentales Zusammenwachsen der Gesundheitseinrichtungen befördere, Kooperationen ermöglicht und darüber hinaus die gesamte Patienten-Journey von der „cradle to grave“ abbilde.

Zentraler Terminologieserver als erster Schritt

Die Referentin des BfArM Michaela Warzecha stellte die Entwicklung eines zentralen Terminologie-Server auf Basis des FHIR-Formates (Fast Healthcare Interoperability Resources) vor, der ein Schritt in Richtung Interoperabilität der Systeme sein könnte. Primäre Zielsetzung des zentralen Terminologieservers ist eine zentrale Bereitstellung von Kodiersystemen (CodeSystems), Wertelisten (ValueSets) und Mappings (ConceptMaps) für unterschiedliche Anwendungen im Gesundheitswesen. Ähnlich wie in Österreich sollen so verschiedene Kodiersysteme, wie ICD-10-GM, OPS, ORPHAcodes, LOINC, ICD-O-3, ICF und UCUM mittels eines Konverters in ein gemeinsames FHIR-Format umgewandelt werden. Laut Frau Warzecha sollen in einem ersten Schritt ab dem 22. Mai 2024 diese Kodiersysteme und Wertelisten als FHIR-Packages zur Kommentierung bereit stehen (https://terminologieserver.bfarm.de).

Mögliche Anwendungen auf Basis des HL7 -  FHIR-Formates stellte Simone Heckmann, CEO der Firma GeFyra GmbH vor. So können aus strukturierten Daten (= definierte kleinste Informationseinheiten, auch „systemunabhängige Ressourcen“, z. B. Patient, Medikament, Allergie, Diagnose) über entsprechende Vorgaben (Templates / Formulare) strukturierte Dokumente wie ein Entlassungsbrief oder eine Medikamentenanordnung erstellt werden. Solche Formulare sind systemunabhängig und können nutzerorientiert jeweils an die Anforderungen vor Ort angepasst werden. Man könnte zusammenfassend sagen, der Inhalt wird von seiner Form getrennt, analog zu xml und html.

Finnland Spitzenreiter im Digital Economy and Society Index - KANTA

Dass manche Länder längst das umgesetzt haben, was in Deutschland noch in Planung ist, konnte man in der Vorstellung des Digitalisierungsgrades des finnischen Gesundheitssystems schmerzlich feststellen. So ist Finnland im Digital Economy and Society Index (DESI) Vergleich 2022 führend, Deutschland liegt im Mittelfeld, gering über den europäischen Durchschnitt (https://digital-strategy.ec.europa.eu/de/policies/desi). Finnlands Spitzenplatz kommt jedoch nicht von zufällig, sondern ist einer Strategie zu verdanken, die konkret 2007 formuliert wurde und die KANTA-Architektur definierte, die konsequent weiterentwickelt wurde. Kurz zusammen gefasst ist das KANTA-System ein von der finnischen Regierung entwickeltes elektronisches System für Gesundheits- und Sozialdaten. Es dient als zentraler Speicherort für elektronische Patientenakten und umfasst verschiedene Dienste, z. B. das Patientenportal MyKANTA, ein elektronisches Rezeptsystem und ein nationales Patientendatenarchiv. Derzeit nutzen 2,7 Mio. Finnen MyKANTA (Omakanta, www.mykanta.fi) mit 1,6 Mio. monatlichen Logins. 37% der Nutzer sind über 65 Jahre.

KI in aller Munde

Spannend wurde es bei dem Thema von KI-Anwendungen in der Medizin. Die überwiegende Anzahl der KI-Anwendungen dienen zur Entscheidungsunterstützung (clinical decision making). Zudem helfen diese maßgeblich das Monitoring von Patienten und können frühzeitig Warnungen vor drohenden Verschlechterungen auf Basis von Monitoring- und Labordaten gemäß definierten oder erlernten Algorithmen versenden. Weitere Anwendungen bestehen darin patientenindividuelle Vorschläge bezüglich der nächsten diagnostischen oder therapeutischen Schritte im Sinne einer personalisierten Therapie mit einfließen lassen.

Die Vivantes Klinikgruppe, bestehend aus 8 Kliniken in Berlin, stellte einen vielversprechenden Ansatz vor, wie KI-Projekte vor großflächiger Einführung geprüft und ihr Nutzen evaluiert werden können. Derzeit sind bereits 7 KI-Anwendungen in der Praxis etabliert, 1 KI-Projekt befindet sich im Roll-out und 2 weitere in der Vortestung.

Die Referenten Dr. Anna Bröhan und Gino Liguori, demonstrierten am Beispiel der medizinischen Bildauswertung von Frakturen, wie der Konzern prinzipiell mit KI-Applikationen verfährt. Die Vivantes-Kliniken haben hierzu ein vierstufiges Validierungskonzept zur strukturierten Auswahl und Bewertung von KI-Lösungen vor flächendeckender Einführung entwickelt:

  1. Identifikation und Vor-Test der KI-Anwendungen(en) über stratifiziertes Sample
  2. Pilotierung im klinischen Alltag in einzelner Klinik inkl. Quantitativer Validierung (Sensitivität & Spezifizität)
  3. Tiefergehende Analyse falsch positiver/negativer KI-Ergebnisse gemäß Goldstandard Radiolog:in
  4. Prozessevaluation durch gestaffelte Erhebung des Meinungsbilds der Anwendenden

Ein weiteres KI-Projekt stellte die österreichische KI-Firma „Predicting Health“ aus Graz vor. Die KI-Applikation "Personalised Risk Tool" soll durch einen KI-gestützten Risiko-Score Patienten hinsichtlich einer potenziellen Delir-Anfälligkeit screenen und so die Patientensicherheit verbessern bzw. das Risiko eines Delirs verringern. Das Tool wurde seit 2018 kontinuierlich weiterentwickelt, die Sensitivität und Spezifität für die Prognose eines drohenden Delirs werden vom Hersteller mit 83% respektive 73% gemessen am Gold-Standard der DOS-Skala (Delirium Observation Scale) angegeben. Das DOS-Instrument ist in der Anwendung jedoch aufwendiger und untersucherabhängig.

Fazit

Zusammengefasst beleuchtete die DMEA 2024 sowohl die bestehenden Herausforderungen als auch die potenziellen Fortschritte in der digitalen Transformation des deutschen Gesundheitswesens, mit einem besonderen Fokus auf Interoperabilität, Strategieentwicklung und KI-Anwendungen.

Krisenmanagement für Einrichtungen der Patientenversorgung

Krisenmanagement ist Risikomanagement

Vorsicht vor einfachen Lösungen

Für jedes komplexe Problem gibt es eine Lösung, die einfach ist, elegant und falsch.  (Journalist und Satiriker H.L. Mencken: “Prejudices: Second Series”, 1921)

Komplexe Systeme und Entscheidungssituationen in Unsicherheit

Karl Weick, James Reason und viele weitere Risikoforscher warnen eindringlich vor der Vereinfachung komplexer Fragestellungen. Der deutsche Psychologe Dietrich Dörner, emeritierter Hochschullehrer an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg erforschte, wie Emotionen sowie Absichten, aber auch die Art der Organisation für Entscheidungsfindungen, die getroffenen Entscheidung von Menschen beeinflussen. Dietrich Dörner nimmt hierzu in seinem Standardwerk „Die Logik des Mißlingens – Strategisches Denken in komplexen Situationen“ ausführlich Stellung. Nach Dörner entwickeln komplexe Systeme eine Eigendynamik. Hinzu kommt, dass die Akteure keine vollständigen Kenntnisse aller Systemeigenschaften haben und falsche Annahmen darüber machen. Gerade die interdependenten Wechselwirkungen vieler Faktoren erschweren die Vorhersagemöglichkeit des Verhaltens komplexer Systeme. Komplexe adaptive Systeme zeigen nicht-lineare oder paradoxe Verläufe. Sie verändern sich mit der Zeit dynamisch, teils exponentiell, teils sprunghaft und sind stets mit großer Unsicherheit behaftet.

Mit diesem Wissen wird es leichter verständlich, wie schwierig es, in Krisenzeiten unter Stress und Zeitnot richtige Entscheidungen zu treffen. Häufig sind es Entscheidungen, deren Konsequenzen bzw. Auswirkungen erst zeitversetzt zu erkennen sind. So besteht die größte Herausforderung darin, mit einer begrenzten Anzahl an Informationen, also einem unvollständigen Lagebild, möglichst gut an die richtige Entscheidung heran zu kommen, stets im Wissen, dass diese Entscheidung stets im sich wandelnden Umfeld neu überprüft werden muss.

Entscheidungen treffen in vernetzten Systemen

Komplexe Systeme sind eingebettet in weitere komplexe Systeme, die sich gegenseitig beeinflussen, z. B. Krankenhäuser stehen in Wechselwirkung mit dem politisch-öffentlichen Bereich des Gesundheitswesens und dem Staat. Es ist deshalb geboten, sich bei einer Krise aufgrund Unkenntnis aller Informationen eine Strategie des „sich Herantasten an das komplexe Problem“ zu eigen zu machen. Ähnlich wie bei der Versorgung von schwerkranken Sepsispatienten, bei denen behutsam Heilversuche gestartet werden, basieren Krisen-Entscheidungen zum einen auf bereits bewährte Evidenz, zum anderen auf ein intuitives Erfahrungswissen von Experten und Krisenmanager. Aktionismus und fehlverstandenes Heldentum sind hier äußerst schlechte Ratgeber.

Nach der Krise ist vor der Krise

Krisen sind unvermeidbar und können jederzeit eintreten. Ist eine Krise überstanden, steht die nächste schon vor der Tür. Diese Tatsache darf jedoch nicht zu Fatalismus und Phlegma führen, sondern vielmehr zu der Einsicht, dass ein zeitgemäßes kompetentes Krisenmanagement ein wichtiger Bestandteil des Managements einer Gesundheitseinrichtung sein muss.
Mit hoher Professionalität und der ihr gebührenden Entschlossenheit sollte die Aufgabe beherzt angegangen werden. Notwendig ist, ein gut aufgestelltes Team aus Experten und ein kompetenter Krisenmanager*in. Alle notwendigen Entscheidungen sollten auf Augenhöhe und nach vorhandener Kompetenz getroffen werden und nicht nach hierarchischem Rang.

Einteilung von Krisen

  • Auslöser/Ursache: Interne oder externe Auslöser oder Kombination aus beiden, natürliche Krisen (z. B. Naturkatastrophen), menschengemachte Krisen (z. B. Konflikte, wirtschaftliche Krisen)
  • Bedrohungsstärke/Ausmaß: Große Krise wie Pandemien, Kriege, Klimaextreme, Energieengpässe, kleinere Krisen bezogen auf die Region, die Einrichtung sowie nach Schadensausmaß potenziell bestandsgefährdend, Auswirkungen auf Menschen, Sachwerte, Umwelt
  • Zeitvorlauf/Reaktionszeit: Kein Vorlauf, ultrakurz (Minuten bis Stunden), Tage und Wochen, chronische Krise
  • Abwehr der Krise: Mit eigenen Bordmittel oder nur unter Inanspruchnahme zusätzlicher externer Hilfe

Die Zuweisung der Aufgaben des Krisenmanagements folgt einem klassischen Phasenmodell:

  • Präventives Krisenmanagement mit Etablierung vorbeugender Maßnahmen für potenzielle Krisen
  • Antizipativ-reaktives Krisenmanagement mit frühzeitiger Erkennung latenter Bedrohungsszenarien und Initiierung erster Abwehrmaßnahmen
  • Akutes Krisenmanagement mit der Bewältigung stattfindender Krisen

Vier Kardinalfehler des reaktiven Krisenmanagements

  1. Die Krise als solche nicht zu erkennen bzw. zu negieren. Häufig wird das Potenzial der Bedrohung unterschätzt. So werden aus „managebare“ Krisen unkontrollierte Flächenbrände. Es geht wertvolle Zeit verloren, um wichtige Kompetenzen zur Bewältigung der Krise zu rekrutieren. Analog einem Schwellbrand, der unangenehm riecht, das wahre Bedrohungspotenzial jedoch nicht erkannt wird, bis die Flammen lichterloh brennen.
  2. Die Krise kleinzureden und nicht mit der entsprechenden Ernsthaftigkeit oder dem notwendigen Einsatz von Mitteln zu reagieren. Analog einem Hausbrand, den man vermeintlich nur mit dem eigenen Feuerlöscher zu löschen versucht und das Beste hofft, jedoch die Feuerwehr nicht ruft. Häufig werden unzureichende Ressourcen zur Verfügung gestellt, vermeintlich um Geld zu sparen, was häufig das Gegenteil bewirkt. Die eigene Kompetenz wird überschätzt, respektive die Kompetenzen der anderen unterschätzt.
  3. Die Krise fachlich nicht adäquat zu managen, sondern sowohl fachliche wie kommunikative Fehlentscheidungen zu treffen. Hinzu kommt fehlende Flexibilität und Kreativität im Finden von Abwehrstrategien bzw. Lösungen. Man meint, alles selbst entscheiden zu können oder zu müssen. Hierarchie zählt mehr als Erfahrung und Kompetenz. Es werden fachlich Unerfahrene oder Mitarbeiter*innen mit fehlendem Spezialwissen, z. B. für Cyberattacken, Stromausfälle, Wasserschäden, Austritt von Gefahrenstoffe, terroristischen Gefahren, Naturgefahren, u.v.m., eingesetzt. Es überwiegt Aktionismus anstatt planvolles, rationales Handeln.
  4. Die Krise nicht adäquat zu kommunizieren. So können fachlich gut gemanagte Krisen zu sekundären Schäden führen, selbst wenn alles vermeintlich richtig gemacht wurde. Die Innendarstellung des Krisenmanagements gegenüber den Mitarbeitern und Führungskräften ebenso wie die Außendarstellung (public relation) gegenüber den Stakeholdern und der Bevölkerung wird mangelhaft durchgeführt oder vernachlässigt. Dies kann zu einem Reputationsschaden führen, der in weiterer Konsequenz zu einem wirtschaftlichen Schaden führt. In diesem Kontext fällt auch die fehlende Aufarbeitung des Krisenmanagements und fehlende Kommunikation der Lektionen aus der stattgefundenen Krise.

Präventives Krisenmanagement als klassische Risikomanagementaufgabe

Die Geschäftsführung ist verantwortlich für die Einrichtung eines kompetenten präventiven Krisenmanagements. Be prepared for the unexpected. Diesen Widerspruch gilt es auszuhalten und mit der Ambiguität zu leben. Zynisch wäre es, aufgrund dieser Ambiguität nichts zu unternehmen und lediglich auf das Beste zu hoffen.
Krisenmanagement ist Teamarbeit, Kommunikation und Vernetzung. Krisenmanagement ist Business Continuity Management. Ein Krankenhaus kann es sich nicht erlauben, nicht betriebsbereit zu sein. Aufgrund dessen müssen Betriebsausfälle so kurz und der Schaden so gering wie möglich gehalten werden.

Präventives Krisenmanagement ist Teil des Risikomanagements, da potenzielle Krisen große Risiken für den Betrieb, die Mitarbeiter*innen und Patient*innen darstellen. Jedes Risiko ergibt sich aus der Wechselwirkung zwischen der Gefahrenlage und Verwundbarkeit gegenüber dieser Gefahr. Die Verwundbarkeit oder fehlende Resilienz ist wiederum das Ergebnis aus der Funktionsanfälligkeit der Prozesse in einem Krankenhaus. Hierzu zählen sowohl die primär klinischen Prozesse der Patientenversorgung, ebenso wie die technischen und logistischen Prozesse zur Aufrechterhaltung der Betriebsfähigkeit.

Angesichts der Tatsache, dass naturgemäß nicht alle möglichen Krisen vorhersehbar sind, ist es sinnvoll, exemplarische Risiken als repräsentative Krisenbeispiele mithilfe von Szenarien und Simulationen zu identifizieren und anhand von Risikoanalysen deren Bedrohungspotenzial zu bewerten sowie präventive Gegenmaßnahmen zu etablieren.

Themenfelder für Szenarien und Simulationen

  • Sicherstellung der Patientensicherheit
  • Technische Sicherheit (Safety)
  • IT-Sicherheit (Cybersecurity)
  • Schutz vor physischen Attacken (Security).

Daraus ergeben sich Präventionsmaßnahmen auf technischer, organisatorischer und personeller Ebene.
Der Krankenhausalarm und – Einsatzplan (KAEP, Link zum Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe) ist der wohl wichtigste Baustein des Krisenmanagements und fasst viele Aspekte des Krisenmanagements zusammen. Im KAEP werden der oder die verschiedenen Krisenmanager bzw. Teamleiter, der situationsspezifische Krisenstab, die Räumlichkeiten des Krisenstabs, die verschiedenen Kommunikationsformen, Schwellenwerte, Zeitvorgaben, Ressourcen und Sofortmaßnahmen der Erstbetroffenen festgelegt. Zudem sollten auch Handlungsoptionen und Spielräume für Flexibilität benannt werden.
Wer in den Krisenstab gehört, hängt von der Expertise und der Rolle im Betrieb ab. Krisenkompetenz ist mehr als nur fachliches Wissen. Gute Krisenmanager*innen verfügen über starke Führungsqualitäten unter Stress und hohes menschliches Einfühlungsvermögen, komplexe bzw. diffuse Lagebilder können rasch analysiert werden um früh in aktives Handeln zu kommen. Sie erkennen schnell Überlastungssituationen der Versorgungskapazität ebenso wie potenzielle Einschränkungen der Versorgungsmöglichkeiten und reagieren schnell und zielgerichtet. So müssen z. B. rechtzeitig Intensivstationen evakuiert, zusätzliche Mitarbeiter aus dem „dienstfrei“ rekrutiert, externe Kräfte hinzugezogen oder erste Statements für die Presse abgegeben werden. Der oder die Krisenmanager*innen benötigten dafür die entsprechenden Entscheidungsbefugnisse.

Kernaufgaben und Verantwortlichkeiten des Krisenmanagers

  • Aufbau und Steuerung einer Arbeitsgruppe und verschiedener situationsbedingter Krisenreaktionsteams
  • Design, Durchführung und Auswertung von Risikoanalysen anhand differenzierter Szenarioanalysen und Simulationen sowie Auswertung und Aufarbeitung stattgefundener Krisen in steter Zusammenarbeit mit dem Krisenteam
  • Erarbeitung von Strategien zur Risikominimierung und Krisenprävention
  • Planung und Umsetzung von Maßnahmen zur Beseitigung von Schwachstellen oder Störungen der Kernprozesse eines Krankenhauses und Etablierung von Redundanzsystemen zur Aufrechterhaltung einer Notfallversorgung
  • Aufbau eines Netzwerkes mit externen Hilfskräften und wichtigen Stakeholdern
  • Repräsentanz des Krankenhauses nach außen in Angelegenheiten der Alarm- und Einsatzplanung
  • Regelmäßiges Reporting zum Status des Krisenmanagements an die Geschäftsführung zur Information, Genehmigung und Inkraftsetzung von Maßnahmen sowie Ressourcenallokation
  • Anpassung an neue Gegebenheiten und an den jeweiligen Stand der Wissenschaft und Technik
  • Kontinuierliche Evaluation des Krisenmanagements

Fazit

Auch wenn die Kosten für ein effektives Krisenmanagement sowie Risikomanagement primär viele Geschäftsführungen abschrecken, zeigt die Erfahrung, dass ein effektives Krisenmanagement ebenso wie ein gutes Risikomanagement sich langfristig lohnen. Als nützlicher Nebeneffekt werden die Prozesse, insbesondere die klinischen Kernprozesse einer gründlichen Evaluation auf Resilienz bzw. Patientensicherheit überprüft, was die Abläufe in der Regel transparenter und kosteneffizienter gestaltet. Insofern sollte ein modernes und effektives Krisenmanagement stets eingebettet sein in ein ganzheitliches Managementsystem.